Kann man von Highlight sprechen, wenn die Reise ausschließlich solche Momente bietet und bisher noch nicht ein Durchhänger dabei war? Eigentlich benötigen alle, mit denen ich spreche, dringend eine Pause, um die Eindrücke zu verarbeiten und um die Annehmlichkeiten des Schiffs zu genießen. Eigentlich wäre es nötig, einmal einen Ausflug ausfallen zu lassen, und einige machen das auch, aber das kommt für mich nicht in Frage. Jeder noch so flüchtige Moment muss aufgenommen und festgehalten werden, denn eine Rückkehr an diesen Ort ist äußert unwahrscheinlich.
Die Tourorganisatoren geben sich jedenfalls reichlich Mühe, ein abwechslungsreiches Programm zu erstellen, bei welchem kein Tag dem anderen gleicht. An diesem Tag geht es mit dem Zodiac durch eine Bucht, in welche die Strömungen das Packeis schwemmt, so dass die Außenbordmotoren reichlich zu kämpfen haben. Ständig blockieren sie und müssen durch den Piloten vom treibenden Eis befreit werden. Im Hintergrund leuchten abermals die roten Hütten einer argentinischen Forschungsstation, auf den Schollen tummeln sich einzelne Schneeleoparden, und eine glückliche Bootsbesatzung sichtet sogar ein paar Pinguine auf der Jagd. Ich hingegen widme mich diesmal verstärkt meiner Action Cam und versuche, einige Unterwasseraufnahmen des Eises aufzunehmen. Das Ergebnis ist verblüffend gut und überzeugt sogar den einen oder anderen Profi, der die Reise begleitet.
Nachmittags steht eine weitere Erkundungstour an, diesmal im Graham-Kanal. Eine weitere Erkundungstour im Zodiac führt uns an Eisbergen vorbei, hoch wie Kathedralen, und erneut durch viel treibendes Eis. Immer wieder brechen beträchtliche Mengen Eis von den umliegenden Gletschern und sorgen für starken Wellengang, verstärkt durch aufkommenden Wind. Einen solchen Abgang zu photographieren wäre spektakulär, doch sobald das Geräusch zu vernehmen ist, ist es schon zu spät, das Eis verschwindet bereits in einer unvorstellbar großen Wolke von Spritzwasser. Ein Krabbenfresser verdaut auf einer Eisscholle seine letzte Mahlzeit und lässt sich vom Trubel der anwesenden Photographen nicht beirren. Auf die Photographie bezogen ist dies vermutlich der am wenigsten ergiebige Ausflug, doch er bietet dadurch die Möglichkeit, die Erhabenheit der Landschaft besser zu erfassen und sich in Erinnerung zu rufen, wo man sich hier eigentlich befindet – an einem der lebensfeindlichsten Orte überhaupt. Auf der Rückfahrt zum Schiff weiß ich zum ersten Mal, weshalb ich eine Regenjacke und -hose dabeihabe, denn der Wellengang nimmt immer weiter zu und unser Zodiac erzeugt große Mengen von Spritzwasser. Ein aufkommender Sturm schickt seine Vorboten.
Nachts schwankt das Schiff merklich, doch die Müdigkeit nimmt mit jedem Tag zu und ich schlafe im Gegensatz zur ersten Nacht an Bord tief und fest. Als ich aufwache und aus dem Fenster sehe, steht das Schiff vor der Einfahrt in den Krater eines implodierten Vulkans, dessen Caldera vollgelaufen ist. Aufgrund des starken Windes ist es nicht möglich, die verfallende Walfangstation aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert zu besichtigen. Photos von Bord aus gibt es dennoch.
Stattdessen fährt das Schiff so nah wie möglich heran und ermöglicht es uns so zumindest von Deck aus, die Anlangen zu photographieren. Etwas weiter in der Caldera, in einer geschützten Bucht namens Telefone Bay, ist dann ein Landgang möglich, bei welchem wir mehrere jüngere Nebenkrater, welche sich bei neueren Ausbrüchen gebildet haben, aus der Nähe betrachten können. Das Land ist von Gletschern bedeckt, doch beinahe überall sind die von schwarzer Asche bedeckt. Wir bewegen uns in einer Mondlandschaft. Aus einem Gletscher entspringt ein Wasserfall, im weiteren Verlauf zeichnet das Wasser interessante Muster an den Boden des Kraters. Mähnenrobben nutzen den Strand als Ruheplatz.
Wir verlassen Deception Island, unsere Fahrt führt uns zum nächsten Halt nach Halfmoon Island. Eine weitere Gewitterfront zieht über uns hinweg, und die Wolken hängen dabei so tief, dass die Spitzen der größten Eisberge darin verschwinden. Wir durchfahren das Gewitter, und dahinter erwartet uns strahlender Sonnenschein. Von einer Gebirgskette fließt eine Wolkenwelle fast bis ins Wasser.