Immer diese Anspannung. Komme ich mit meinem Handgepäck an Bord, oder wird man mir Probleme bereiten? Immerhin wiegt es ungefähr das doppelte von dem, was eigentlich erlaubt ist! Aber wer will schon Photo-Equipment im Wert von knapp 20.000 Euro ins Aufgabegepäck geben?
Ich habe hierzu bereits diverse Tipps und Tricks gehört, um das zu vermeiden. Dazu gehört, dass man mit seinem Handgepäck nicht angestrengt aussehen sollte. Das dürfte für einen Kampfsportler machbar sein. Man sollte möglichst früh an Bord der Maschine gelangen, bevor die Plätze in den Gepäckfächern alle belegt sind. Also früh anstellen, statt im Sitzen zu warten. Nach einer Stunde in der Schlage ist das mit dem nicht angestrengt aussehen aber plötzlich doch nicht mehr so einfach, stelle ich fest. Sollte man doch herausgezogen werden hilft es wohl, auf die große Menge an Lithium-Batterien, die man mit sich herumführt, hinzuweisen, und wenn auch das nichts hilft, solle man eben freundlich auf den materiellen Wert bei gleichzeitiger Zerbrechlichkeit hinweisen und auf den guten Willen des Personals hoffen. Zu guter Letzt hilft es auch, eine Jacke mit vielen, möglichst großen Taschen mitzuführen, um dort im Zweifelsfall Ausrüstung darin unterzubringen, denn was man Körper trägt, zählt nicht zum Handgepäck. Vorbereitet auf das Schlimmste (60 Euro blechen fürs Übergewicht) stehe ich mir also die Beine in den Bauch, bis es endlich losgeht mit dem Boarding. Das Glück beim Fliegen bleibt mir hold, es geht ohne Diskussionen und ohne Kreditkartezücken zu müssen an Bord.
Während es in München seit Stunden unerlässlich regnete, reißt mit dem Schließen der Türen die Wolkendeckel auf. Der Blick aus dem Fenster offenbart den beeindruckenden Stau der Urlauber auf den Weg gen Süden auf der A8, und die dahinterliegenden Alpen. Ich erblicke die Kampenwand, bevor die Gipfel wieder unter einer Wolkendeckel verschwinden. Im Anschluss überfliege ich diverse Länder, in welchen Freunde und Kollegen gerade ebenfalls ihren Urlaub genießen. Österreich, Italien, der Balkan, und Bulgarien breiten sich unter uns aus, und säße ich auf der anderen Seite des Flugzeugs, hätte ich vermutlich auch einen Block auf Istanbul erhaschen können.
Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den Irak. Bagdad und Basra geben bei Nacht ein beeindruckendes Bild ab aus der Vogelperspektive, doch viel mehr wird mir in Erinnerung bleiben, wie bis zum Horizont die Flammen der Ölfördertürme loderten und die Nacht erhellten, während unzählige Tanker vor der Küste leuchtende Inseln im nachtschwarzen Meer bildeten.
Der Flughafen Doha scheint mir zugleich größer zu sein und auch mehr Modegeschäfte zu beherbergen als Metzingen. Schwieriger wird es, Essbares zu finden. Im Flugzeug haben sie mir wohl aus Versehen eine Kinderportion serviert, jedenfalls habe ich noch ziemlichen Hunger. Als ich dann endlich einen Wrap bekomme und mich zum Gate für den Weiterflug aufmache stelle ich fest, dass ich besser zwei Wraps genommen hätte. Bei den Laufwegen habe ich meinen vermutlich vollständig in Energie ungesetzt, noch bevor ich den Flieger erreicht habe.
Vierzehn Stunden später befinden wir uns im Landeanflug auf Brisbane, und ich betrete australischen Boden. Der Flug war lang, aber unspektakulär. Nur das mit den Kinderportionen, das setzt sich fort. Zum Glück habe ich ein Hotelzimmer am Flughafen gebucht, in dem ich die nächsten 12 Stunden Wartezeit überbrücken kann, denn so kann ich mich endlich einmal ordentlich ausstrecken und in der Horizontalen schlafen. Nach einer warmen Dusche (jede warme Dusche wird wichtig sein, in den Dörfern Vanuatus gibt es zumeist kein warmes Wasser!) und einem üppigen Frühstück (Stichwort: Kinderportionen an Bord) geht es direkt wieder zum Terminal zurück. Dort geht es ein wenig zu wie auf einem deutschen Bahnhof. Anscheinend werden alle viertel Stunde Flüge ausgewürfelt, die ein neues Gate zum Boarding zugewiesen bekommen. Meiner wechselt gleich zwei Mal, nur damit das Gate, an dem wir starten sollten, dann eine halbe Stunde länger als geplant von einem anderen Flieger belegt wird, weshalb sich auch unser Start verzögert. Am ursprünglich geplanten Gate wäre derweil durchgehend Platz gewesen…
Nachdem ich endlich die letzte Etappe in Angriff nehmen konnte, fliegen wir erst einmal gute zwei Stunden über den Pazifischen Ozean hinweg, bis da am Horizont Land auftaucht. Ist das etwa Frankreich? Ja, ist es, wir überfliegen Neukaledonien. Von hier aus sind es nur noch 45 Minuten, bis ich in Vanuatu aufsetze.
Nachdem ich im Hotel eingecheckt habe, in dem bereits einige Reiseteilnehmer untergekommen sind, und in welchem ich morgen auch den Rest der Gruppe kennenlernen werde, nutze ich die verbleibende Stunde Tageslicht, um noch etwas durch die Stadt hindurch an die Promenade zu schlendern. Eine Gruppe junger Damen in landestypisch bunten Kleidern erblickt meine Kamera und fragt, ob ich sie photographieren könnte. Kann ich. Ihr lächeln ist wunderbar. Die Stadt hingegen ist an manchen Stellen noch immer stark von den Folgen des Erdbebens an Weihnachten 2024 schwer gezeichnet. Gebäude sind einsturzgefährdert, Straßen gesperrt. Vierzehn Menschen sind bei dem Erdbeben gestorben, sagte der Busfahrer auf dem Weg zum Hotel. Ein markantes Gebäude mit einem kuriosen Schriftzug fällt mir auf: das Niedrigsicherheitswiedereingliederungszentrum. Unweigerlich muss ich dabei an das Springwood Minimum Security Prison aus dem Simpsons denken…
Die Sonne versinkt sehr schnell hinter dem Horizont. Die Dämmerung dauert bestenfalls eine halbe Stunde, und so spute ich mich, zurück zum Hotel zu kommen, bevor mangels Straßenbeleuchtung gar nichts mehr auf den Straßen zu erkennen ist.