Sechs Uhr. Kein Boot in Sicht. Reiseleiter Basti wird nervös.
Wir sind hier in Vanuatu, da sind Abmachungen und Pünktlichkeit relativ. Aber fünfzehn Minuten später kommt das Boot, das uns in einem ersten Schritt von Nguna zurück nach Efate bringen soll, dann doch noch, und weil auch der Pick-Up und der Bus, die uns zum Flughafen bringen sollen, schon parat stehen, ist die Viertel Stunde Verspätung auch wieder reingeholt.
Am Flughafen geht eine absurde Bescheißerei los, die so wohl nur in einem tropischen Inselstaat möglich ist. Erlaubt sind nur 16 Kilo Gepäck, was aber die meisten Teilnehmer entweder nicht wussten (wie ich) oder einfach ignoriert haben. Auch das Handgepäck war auf 5 Kilo pro Kopf begrenzt. Also fing jeder an, schwere Gegenstände wie Photoausrüstung aus dem Gepäck zu entfernen, auf den Bänken zu deponieren, das Handgepäck zu wiegen, und nach bestandener Kontrolle wieder zu befüllen. Im Anschluss wurden dann noch alle Passagiere mit ihrem Handgepäck zusammen gewogen, um unsere kleine Twin Otter nicht zu überladen.
Der Flug ist nicht viel mehr als ein Katzensprung, nach etwa einer Stunde sind wir schon am Ziel. Kurz vor der Landung beschließt der Pilot aus heiterem Himmel, einen kleinen Umweg zu fliegen und sehr zur Freude der Touristen an Bord eine Runde um den Vulkan zu drehen. Dann landen wir in Lénakel.
Dort geht es wieder auf Pick-Ups. Vor die Wahl gestellt, ob ich lieber auf der Ladefläche fahren möchte wie die Einheimischen, oder doch im Inneren, entscheide ich mich mangels aufgetragener Sonnencreme für letzteres. Eine Entscheidung, die sich später aus anderen Gründen noch bezahlt machen wird. Jetzt geht es erst einmal nach Lénakel auf den Markt, um etwas Proviant einzukaufen und um einige organisatorische Dinge zu erledigen. Die Zahl der Stände ist deutlich höher als in Port Vila, und auch das Angebot ist deutlich reichhaltiger. Hier finden sich neben den bekannten Produkten wie Maniok und Yamswurzel, Pak Choi und Salat, Bananes, Tamarinden und Kokosnüssen auch Mandarinen, Papayas, Grünkohl, Karotten und viel mehr. Den Farben der zahlreichen Produkte stehen die bunten Kleider der Marktfrauen in nichts nach.
Im Pick-Up geht es dann weiter in Richtung unserer Unterkunft, der Jungle Oasis bei Iguaramanu. Auf erstaunlich intakten Straßen – jene auf Efate sind eher eine anhaltende Aneinanderreihung von Schlaglöchern – geht es den Rand der Caldera hinauf, und von dort erblicken wir ihn das erste Mal: den Vulkane Yasur. Aus der Ferne wirkt er friedlich, mit dem kleinen Wölkchen über seinem Gipfel und umringt von einer ausgedehnten Aschewüste.
Dorthin geht es jetzt herab. Eine abenteuerliche Offroad-Fahrt durch die Canyons, die ein Wasserlauf am Grund der Caldera gegraben hat, führt uns einmal an der Westflanke des Vulkans entlang, der im schönsten Nachmittagslicht erstrahlt. Aus der Nähe sind dann doch unangenehme schwefelige Dämpfe zu vernehmen, und als das Grollen des Vulkans aus der Nähe doch recht deutlich zu vernehmen ist, wirkt er plötzlich gar nicht mehr so einladend wie aus der Ferne. All jene, die auf der Ladefläche sitzen, werden jetzt zusätzlich von der aufgewirbelten Asche ordentlich gesandstrahlt und kommen entsprechend verschmutzt im Camp an. Immerhin erlaubt es die einzige Gemeinschaftsdusche, sich den Staub wieder vom Körper zu waschen.
Überraschend werden wir abends informiert, dass die Wetterbedingungen gerade besonders günstig wären für eine Nachtwanderung auf den Yasur. Ungefähr eine halbe Stunde Fußmarsch bergauf, und dann stehen wir am Kraterrand.
Drei Öffnungen am Boden des Kraters bilden das Tor zur Hölle. Permanent strömt, begleitet von markerschütterndem Getöse, dichtes Gas aus, welches Glücklicherweise vom Wind in die Gegenrichtung getrieben wird. Regelmäßig speiht ein Schlot meterhohe Flammen, wärend ein weiterer einen friedlichen See aus Lava zu enthalten scheint. Der dritte Schlot ist der wirklich interessante, denn hier passieren die Eruptionen. Alle paar Sekunden fliegen kleine, glühende Brocken heraus, während in unregelmäßigen Abständen größere Eruptionen die Bomben auch an die hundert Meter in die Höhe schleudern. Der Vollmond erhellt den Krater zusätzlich. Nach zwei Stunden steigen wir, völlig verzaubert und euphorisiert, wieder ab.
Tags drauf wandern wir durch die Ascheebene. Diese war bis vor wenigen Jahren ein See, bevor das Wasser durch eine Schwachstelle hindurch seinen Weg ins Meer gebahnt hat. Übrig geblieben ist eine riesige, staubige Fläche, welche von einem Fluss durchquert wird. Dieser wiederum hat im Laufe der Jahre mehrere eindrucksvolle Canyons ausgewaschen, in welchem sich erahnen lässt, wie aus abgestorbenen, verschütteten Bäumen irgendwann Fossilien werden dürften. Starker Wind weht in der Ebene und bläst den Staub in jedem Ritze der Kleidung und der Ausrüstung, hinter die Sonnenbrille in die Augen, in die Ohren und die Nasenlöcher. Durch einen veritablen Sandsturm hindurch kämpfen wir uns zurück in unsere Unterkunft.
Abends geht es zurück auf den Vulkan. Wir kommen noch bei Sonnenschein an und können auch den Ausblick auf die Umgebung voll auskosten. Eine Gruppe einheimischer Abgeordneter, die gerade am Fuß des Vulkans ein Festival besuchen, nutzen die Touristengruppe aus Deutschland gleich zu einem Pressephoto. Ab 18:15, kurz nach Eintritt der Nacht, werden alle anderen Touristen wieder nach unten geschickt, und wir haben dem Gipfel noch eine Stunde lang für uns. Seit gestern hat sich ein weiterer Schlot geöffnet, und die Aktivität ist insgesamt stärker geworden. Deutlich mehr Gase treten aus, und die Eruptionen schleudern die Bomben doppelt so hoch wie gestern. Die Geräuschkulisse spürt man im ganzen Körper, und unter unseren Füßen vibriert permanent der Boden.